„Chopin gehört zu mir. Ich habe ihn mir nicht ausgesucht. Vielmehr wurde ich zu ihm hingeführt. Und schon bald stellte ich fest, dass er mir sehr nahe ist. Manche sprechen gar von einer Seelenverwandtschaft“. Worte von Elfrun Gabriel über die Beziehung zu dem Komponisten, mit dessen Werk sie besonders vertraut und mit dessen Namen der ihre verbunden ist.
„Chopin interpretiert sie in Herz erobernder Weise“ war in „Trouw“ (Amsterdam) zu lesen. „Die Musik der Elfrun Gabriel… klingt genau wie ihr Gang: Schwerelos, traumverloren, leicht, mit glasklarem Anschlag (Bach)… von sanftem Schwung freilich – und herrlich geschmeidig klang dann ihr Chopin“ (Süddeutsche Zeitung). „Sie trifft den Stil Chopin auf unverwechselbare Weise“ (Chopinblätter Wien).
Publikum und Presse sind immer wieder gefesselt von ihrer Eleganz und Anmut, ihrem feinsinnigen, nahezu schwerelosen Spiel. Wer sie erlebt, wird gefangen vom transparenten Musizieren, das licht, klar, schlank, facettenreich die Zuhörer in ihren Bann zieht. Vor allem: weil die weltweit gefeierte Interpretin die wunderbare Balance zwischen lyrischer Poesie und leidenschaftlicher Kraft auszuloten versteht. Hinter ihrer anscheinenden Leichtigkeit steckt viel Arbeit: Üben, Proben, Konzentration. Sie nutzt Yoga und Erkenntnisse der Musikkinesiologie. Diese Lehre von der Bewegung vermittelt sie auch ihren Meisterschülern, um Podiumsangst in positive Impulse für das Spiel umzuformen.
Den 200. Geburtstag ihres Lieblingskomponisten in diesem Jahr wollte Elfrun Gabriel mit ihren Soloabenden mit den Titeln „Winter auf Mallorca“, „Das pianistische Dreigestirn Frédéric Chopin – Robert Schumann – Franz Liszt“, der „Denkwürdigen Begegnung der Herren Chopin, Mendelssohn und Schumann“ und anderen Programmen mit ihrem Publikum feiern.
Plötzlich und unerwartet ist sie von uns gegangen. Am 2001. Tag nach der wahrscheinlich unexakten Eintragung von Chopins Geburt ins Taufregister hat sich die Pianistin nach kurzer schwerer Krankheit von der Welt verabschiedet. Am 2003. Tag nach dem vom Komponisten immer selbst genannten Geburtstermin fand Elfrun Gabriel von ihrem Mann, ihrem Bruder, Freunden, Kollegen und Schülern begleitet, auf dem Leipziger Südfriedhof ihre letzte Ruhe.
Dabei sah es immer so aus, als würde ihr das Alter nichts anhaben können. Sie wirkte frisch und vital, sensibel und doch beherzt: Eine charmante Mädchenfrau. Das Mitglied der Internationale Chopin – Gesellschaft war eine Frühbegabte. Mit 14 Jahren spielte sie ihre ersten Konzerte. Ein halbes Jahrhundert waren Konzertsäle und Salons in Europa und in Übersee Stätten ihrer Selbstverwirklichung. Immer wieder erinnerte sie an ihre Eltern, die, selbst musisch begabt, ihr Talent förderten. Die böhmische Musiktradition wurde ihr in die Wiege gelegt, auch wenn sie die damalige Heimat verlassen musste. Ihr war sie bis zuletzt verbunden.
Im Osten Deutschlands, erst an der Musikhochschule „Franz Liszt“ in Weimar und bald an der Leipziger Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“, jenem Institut, das der ehemalige Gewandhauskapellmeister als erstes Konservatorium Deutschlands gründete, studierte sie. Die Schülerin von Amadeus Webersinke und Karl-Heinz Kämmerling schloss ihr Examen mit Auszeichnung ab, ehe sie jahrelang an dem traditionsreichen Haus pädagogisch tätig war. Sie studierte außerdem bei Vertretern der Leningrad/Petersburger und Krakower Pianisten-Tradition wie Pawel Serebrjakow und Halina Czerny- Stefanska. Später gab sie Meisterkurse und nahm Jury-Verpflichtungen war.
Ihre Konzentration auf das Chopinsche Klavierwerk, ihre durchsichtige Gestaltung von Werken Debussys und de Fallas machten die Wahl – Leipzigerin zu einer gefragten und einfühlsamen Interpretin, die sich auch Mozart, Schumann, Prokofjew und Schostakowitsch widmete. Neben zahlreichen Kammerkonzerten in europäischen Musikzentren wie Wien, Paris, Moskau, Madrid oder Warschau konnte man sie auch immer wieder in Berlin, Dresden oder Leipzig mit den dortigen Orchestern erleben. Sie arbeitete mit Kurt Masur, Herbert Kegel, Ken-Ichiro Kobayashi, Otmar Suitner und Jörg Peter-Weigle zusammen. Mehr und mehr aber waren es die Soloabende, denen sie sich mit größter Hingabe widmete, um ihren subtilen Ausdruckswillen Gestalt zu geben. Mit einem großen Klavierabend war die Künstlerin 2008 zu Gast beim Chopinfestival in der Kartause Gaming.
Noch bis kurz vor Weihnachten 2009 hat die Pianistin Werke von Schumann, Mendelssohn und Chopin für den Kultursender Figaro des Mitteldeutschen Rundfunks eingespielt. Es ist ihr musikalisches Vermächtnis, das auch auf einer CD erscheinen wird. Nun hat sie dieses Podium für immer verlassen.
Wer Elfrun Gabriels verinnerlichtes und einfühlsames, oft hinreißendes Spiel nochmals erleben will, genieße ihre Aufnahmen mit Kompositionen von Debussy, de Falla, Elgar, Liszt, Mendelssohn, Skrjabin, Schostokowitsch oder Schumann. Mit den CD-Einspielungen von Werken ihres Lieblingskomponisten – seiner Préludes, Mazurkas, Sonaten, Polonaisen, Walzer, Balladen und der anderen musikalischen Perlen – hat sie sich zudem inmitten internationaler Chopin-Interpreten von Rang verewigt.
Rolf Richter
Pressemitteilung, 22.03.2010: Erinnerung an die Pianistin Elfrun Gabriel
Worte des Gedenkens für Elfrun von Prof. Dr. Werner Merten, Hannover
Internationale Chopin Gesellschaft Wien